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Blalla W. Hallmann: Psychose und Selbstreflexion
Rezension von Hartmut Kraft
in: Ärzteblatt, Ausgabe 10. November 2005, Seite 528

Ein dunkel flammendes Rot in der unteren Bildhälfte verdüstert sich zum oberen Bildrand hin. Wie in die Farbmasse eingegraben, verlaufen dunkle Kanäle von unten nach oben.

In der Art von Säulenkakteen verzweigen sich die emporstrebenden Pfade – und enden jählings in Sackgassen. An manchen Enden wird der wandernde Blick von einer Teufelsfratze, häufiger jedoch von Totenköpfen empfangen. Einige der Pfade verbreitern sich in ein sumpfartiges Gelände, aus dem sie später als abgegrenzte Wege wieder hervorgehen, sich verzweigen und zum Teil aus dem oberen Bildrand herausführen.

Wie in den meisten Fällen hat Blalla W. Hallmann auch diesem Bild einen Titel mit auf den Weg gegeben: „Am 15. 3. 1969 habe ich die Orient-Tierung verloren“. Wer mit der Lebens- und Krankheitsgeschichte dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit vertraut ist, wird sofort aufmerksam: Im Dezember 1968 erkrankte der Künstler während eines USA-Aufenthalts an einer akuten paranoid-halluzinatorischen Form der Schizophrenie, die im März 1969 ihren Höhepunkt erreichte und zur Ausweisung aus den Vereinigten Staaten führte. In Deutschland begann für Blalla W. Hallmann eine jahrelange Krankheits- und Rekonvaleszenzphase, die er in seiner Autobiografie in Bildern „Der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (1995) eindrucksvoll geschildert hat. Er berichtet darin nicht nur von mehreren Selbsttötungsversuchen, sondern auch von den Suiziden mehrerer seiner engen Freunde. Es liegt nahe, dies unmittelbar mit den von Totenköpfen bekrönten Sackgassen des Gemäldes in Zusammenhang zu bringen. In der Autobiografie wie auch im vorliegenden Bild ist es dem Künstler im Rückblick auf seine psychotische Erkrankung gelungen, für das Gefühl der Orientierungs- und Ausweglosigkeit in der akuten Erkrankung eine bildhafte Metapher zu gestalten. Dem Betrachter vermittelt sich zumindest ansatzweise ein Nacherleben des dramatischen seelischen Geschehens. Diese Art von Selbstreflexion der überstandenen psychotischen Erkrankung in Wort und Bild ist eine große Rarität.

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